Ein Kommentar zur Einstellung des Wiener Stadtfernsehens TIV.
(Erschienen in skug, 13. Jänner 2002)
Mit 31.12. 2001 hat der im Kabel auf dem Sendeplatz des Infokanals empfangbare TV-Sender TIV seinen Betrieb eingestellt, offiziell mit Sendepause bis 1. 5. 2002. Inoffiziell plant der neue Mehrheitseigentümer ET-Multimedia (»Wiener«, »Wirtschaftsblatt«) einen Wirtschaftskanal und damit das faktische Ende eines ambitionierten Projektes, das als Beweis gedacht war, wirtschaftliches Überleben unter Beibehaltung glaubwürdiger »cultural roots« in der Wiener Medien- & Musikszene zu etablieren.
TIV: Gegründet 1996 im Urnebel österreichischen Privat-TVs als Konter-Initiative (»wir machen das, was die anderen nicht machen werden und was wir schon längst gerne im TV sehen würden…!«), 1997 größtes Förderprojekt der Bundeskuratorin für Kunst, Lioba Reddeker, 1998 als Unternehmen konstituiert und mit Internet-Fernsehen (das erste in Österreich) gestartet, und seit Mai 1999 im Kabel auf Sendung.
In der Aura »hysterischer Kompetenzkämpfe« und einem Arbeitsklima, das »der schlimmsten Vision eines IT-StartUps entsprochen hat« (Zitate von Ex-Mitarbeitern), wurden in den letzten Jahren Tausende Sendestunden von Programmen unterschiedlicher Qualität, aber sich deutlich vom Mainstream abhebender Originalität, per Glasfaser in das Netz der Wiener Telekabel geblasen und vorwiegend durch Werbung finanziert. Das Publikum, bzw. das, was man als »opinion leader« bezeichnet, rezipierte dies teils mit Begeisterung, teils mit Kopfschütteln; täglich fünf- bis zehntausend.
Kein DJ, keine Band, kein Politiker, keine sonstige Person von Relevanz und Coolness in Wien wurde von einem Moderatoren-LineUp der »Besten« (wie u.a. Electric Indigo, Thomas Rottenberg, Eva Weissenberger, Karl Fluch, Sebastian Brauneis, Wolfgang Kopper, Drehli Robnik, Monochrom, Amina Handke, Thomas Prlic, Tomtschek, Liz Neumayer, Andrea Egger, Christian Davidek) nicht in die Wiener Alpenmilchzentrale kommandiert und in ihre Setups verpackt. Nicht vergessen werden sollte, dass der Betrieb des Senders nur durch die größtenteils unbezahlte Arbeit hunderter freier Mitarbeiter möglich war, und selbst für die wenigen bezahlten Köpfe des Unternehmens war Zahlungsmoral ein Fremdwort.
Ursprünglich konkurrenzlos als Homebase hipper, elektronischer Underdogs ein Gesamtformat, an dem der ORF zumindest im Fernsehen seit jeher gescheitert ist, begann mit fortschreitendem Sendebetrieb und wachsendem kreativen Abrieb auch der qualitative Abstieg zu einer Abspielstation von Musikvideos im letzten Sendejahr. Die Vernichtung des Konzepts und der Intention von TIV durch Ausverkauf und Einstellung schmerzt dennoch, weil nicht die Idee (und Reichweiten!), sondern die Form der Planung und Umsetzung gescheitert ist.
Auch wenn Radikalität per se nie auf den Fahnen von TIV stand, war allein schon die Existenz des Senders eine Provokation für die gleichgeschaltete Wiener Medienlandschaft. Jetzt wurde TIV von der Realität gefressen. Und wir warten entrückt auf die Flade, die ab 1. Mai stattdessen dampfen soll und danken den Machern für vergangene Sternstunden von »einfach schönem, sexy Fernsehen«.
Alf Altendorf war bis 2001 geschäftsführender Gesellschafter und einer der Gründer von TIV.