Hörsturz #10: Glauben. Oder Nicht-Glauben?

Ein Blick in die Zukunft der Medien im 22. Jahrhundert von Alf Altendorf

Medien im Jahr 2100

Die prognostizierte Zukunft zeichnet ein Bild, in dem Mensch und Maschine immer mehr verschmelzen und eine allumfassende virtuelle Realität – das sogenannte „Metaverse“ – entsteht. Diese Idee, erstmals von Cyberpunk-Autor Neal Stephenson 1992 in seinem ikonographischen Roman Snow Crash beschrieben, ist keine Science-Fiction mehr.

Die Anzeichen dafür sehen wir täglich: Ob am Berg, im Bus, im Zug oder im Café – fast jede*r starrt auf das Smartphone, diesem unseren tragbaren Super-Computer. Wir checken Karten, Fahrpläne, Bewertungen oder recherchieren parallel zu einem Gespräch in der virtuellen Welt.

Die Weiterentwicklung dieser Technologie hin zu Geräten, die noch stärker mit unserem Körper verschmelzen, ist eine logische Konsequenz.

Was ist noch real?

Unsere Wahrnehmung der Realität ist bereits jetzt ein Mix aus Sinneseindrücken, Informationen von Autoritäten (wie Fahrplänen oder Hausnummern) und fragwürdigen Quellen (wie Werbeschildern, deren Slogans oft mehr versprechen, als sie halten). Doch was passiert, wenn wir uns immer mehr auf virtuelle Daten stützen? Wenn das Metaverse Realität wird, stellt sich die Frage: Welchen Informationen können wir noch vertrauen?

Ein Beispiel: Der in Rumänien verhaftete „Influencer“ und mutmaßliche Sexualstraftäter Andrew Tate äußerte kürzlich die absurde Idee, als britischer Premierminister die BBC abzuschaffen und „X“ (ehemals Twitter) als einzige Informationsquelle bei deren Neugründung zu etablieren. Diese dystopische Vorstellung mag grotesk erscheinen, doch sie spiegelt den weltweiten Trend rechtsextremer Politik wider, öffentlich-rechtliche Medien und damit vertrauenswürdige Nachrichtenquellen zu zerstören.

Zugunsten von Plattformen, die von ihnen direkt oder von ihnen nahestehenden Oligarchen kontrolliert werden und auf „Community Notes“ statt unabhängiger redaktioneller Integrität setzen.

Virtuell oder real – wem können wir glauben?

Das Metaverse bringt eine Verschiebung weg von unserer sinnlichen Realität hin zu einer durch digitale Daten erweiterten Welt. Beispiele dafür sind „Augmented Reality“-Technologien, die visuelle Informationen in Echtzeit einblenden. Doch damit diese Erweiterung eine Bereicherung und nicht ein Instrument zur Manipulation wird, sind verlässliche Informationsquellen entscheidend.

Ohne sie riskieren wir eine digitale Realität, die niemand mehr ernst nimmt – ähnlich wie die Propaganda in der Sowjetunion, der selbst Sowjet-Menschen am Ende nicht mehr trauten.

Die Lösung: „Glaubwürdigkeits-Produkte“

Die Zukunft verlangt nach Systemen und Plattformen, die Informationen – seien es von Menschen erzeugte Bilder, Videos, Audios oder Daten von maschinellen  Intelligenzen – manipulationssicher und verlässlich machen. “Blockchains” – die transparent nachvollziehbare maschinelle Aufzeichnung jeder Änderung an einer Ursprungsinformation, im Einsatz bei Crypto-Währungen – sind schon heute ein Ansatz für das 22. Jahrhundert.

Die zukünftigen „Glaubwürdigkeits-Produkte“ könnten von unabhängigen Organisationen entwickelt werden, die weder Profit- noch politische Interessen verfolgen. Demokratisch legitimierte staatliche Institutionen oder nicht-staatliche Non-Profit-Organisationen – wie die Wikimedia Foundation – könnten hier eine Schlüsselrolle spielen.

Vielleicht kommen solche Innovationen auch aus Salzburg – zum Beispiel von der „Community Media Association Salzburg“, dem – ins Englische übersetzten – Träger der Radiofabrik.

Denn in einer Welt, in der Realität und Virtualität verschmelzen, wird die Glaubwürdigkeit von Informationen unser wichtigstes und heiligstes Gut.