Eine Analyse von Alf Altendorf, kaufmännischer Geschäftsführer von Radiofabrik & FS1 für unerhört! 16. Jänner 2020
Jetzt hat es der Freie Rundfunk erstmals konkret in ein Regierungsprogramm geschafft. Konkret heißt es auf Seite 55 im Medienkapitel, „die Dotierung des Nichtkommerziellen Rundfunks sei zu überprüfen mit dem Ziel einer Erhöhung im Hinblick auf innovative Medienformen“.
Medienförderung? Was ist das, und wie funktioniert es?
Wer es noch nicht weiß: die österreichischen Medien erhalten alle Geld von den Bürgerinnen und Bürgern. Nicht nur der ORF, sondern auch die Kommerziellen. Rundfunkgebühren, Förderungen oder – was gerne vergessen wird – versteckte Förderungen über Werbeschaltungen aus Steuermitteln. In einem kleinen Land wie Österreich wäre es sonst um die vierte Gewalt – wie Medien in einer Demokratie genannt werden – schlecht bestellt.
Der werbefreie nichtkommerzielle Rundfunk ist neben den Öffentlich-rechtlichen und Privat-Kommerziellen der 3. Sektor. Er startete – wie auch die kommerziellen Mitbewerber – im Jahr 1998 und umfasst heute in Österreich 14 Radios und drei TV-Stationen.
Er erhält Kulturförderungen von den Städten und Bundesländern, ist aber seit 2010 hauptsächlich aus Rundfunkgebühren finanziert. Der Nichtkommerzielle Rundfunkfond, gespeist aus dem Gebührenanteil des Bundes mit ungefähr 100 Millionen Euro die ins nationale Budget fliessen, stellt seit 2010 davon 3 Millionen Euro zur Verfügung. Er wird wie sein Pendant für kommerzielle Medien – der Privatrundfunkfond – durch die Medienbehörde „RTR-Komm Austria“ verwaltet. In unveränderter Höhe seither, während der kommerzielle Fond durch die letzte Bundesregierung 2019 kurzfristig von 15 auf 20 Millionen angehoben wurde, um vor allem den Boulevard – die Österreich-Gruppe von Wolfgang Fellner – und die ProSiebenSat1Puls4-Gruppe zusätzlich bedenken zu können. Mit den Argumenten, es gebe „eine nötige inflationsbedingte Anpassung“, „mehr Anbieter“ und es gehe um „Medienbildung“. Das nachfolgende Lobbying des 3. Sektors um ähnliche Anpassungen des NKRF, denn auch hier gebe es „Inflation“, „mehr Sender“ und „Medienbildung sei dessen Kernkompetenz“, wurde durch „Ibiza“ überholt.
100 Tage später haben wir seit 7. Jänner eine neue Bundesregierung. Wie ist nun deren Regierungsprogramm aus dem Blickwinkel der nichtkommerziellen Rundfunkveranstalter einzuschätzen?
Mit „Überprüfung der Dotierung des (..) Nichtkommerziellen Rundfunkfonds mit dem Ziel einer Erhöhung in Hinblick auf innovative Medienformen“ – Seite 55 im „Medienkapitel“ – hat es der 3. Sektor erstmals konkret in ein Regierungsprogramm geschafft. Allein dies ist als Erfolg zu werten. „Überprüfung“ dürfte eine vorherige „Bedarfserhebung“ beinhalten. Auf den ersten Blick ein seriöser Zwischenschritt – wurde dieser 2019 für den Privatrundfunkfond auch gemacht? – könnte dies Auslöser für längere Verzögerungen mit der Gefahr bedeuten, daß erneut eine Bundesregierung die Umsetzung ihrer Vorhaben nicht mehr erlebt. Was unter „innovative Medienformate“ zu verstehen ist, darüber rätsele ich bereits. Erfordert Klärung, ein nächster möglicher Anlass für weitere Verzögerungen.
Ansonsten übernimmt das Medienkapitel einige sinnvolle Punkte des vorhergehenden Programms – Digitalisierung zum Beispiel. Es thematisiert die Probleme der Branche mit den amerikanischen Plattformen – gemeint sind YouTube und Konsorten ohne diese konkret zu nennen, und will stattdessen eigene Verbreitungswege wie ORF-Player und Radioplayer positionieren. Ob diese Vorhaben überhaupt glücken können? Und welche Rolle der werbefreie 3. Sektor hier spielen kann und will, ist völlig offen. Hier liegt es aber an uns, hier teilnehmen zu wollen.
Auch die angekündigte Reform der Verwertungsgesellschaften für Musikrechte – AKM, Austro Mechana und LSG – ist in unserem gemeinsamen Interesse mit der gesamten Branche. Wo die aktuell hohen finanziellen Belastungen – besonders der Fernsehstationen – der Rolle des 3. Sektors zur Förderung „jungen Musikschaffens“ bisher nicht berücksichtigen. Für viele Nachwuchsmusiker und Musikerinnen sind die Freien Medien die erste Veröffentlichung ihrer Sounds.
Relevant für den 3. Mediensektor ist weiters das „Kulturkapitel“. Die Sender sind „kulturelle Organisationen“, inhaltlich in der „Freien Kulturszene“ verankert und meist auch aus Kulturförderungen der Länder und Kommunen teilfinanziert. Besonders die auf S. 45 des Regierungsprogramms beschriebene „Entwicklung einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zur Umsetzung der Kulturstrategie „Fairpay“ muß auch für den 3. Sektor Gültigkeit haben. Soll doch mit „Fairpay“ eine faire Bezahlung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisationen erreicht und die Arbeitsbedingungen verbessert werden.
Der 3. Sektor ist „das größte laufende Programm für Medienbildung und Medienkompetenz“ in Österreich. Wir bilden nicht nur laufend unsere tausenden Produzierenden aus und weiter, sondern haben jährlich mehrere tausend Jugendliche und junge Menschen in und ausserhalb von Schulen und Universitäten in unseren Workshops. Für die im Bildungskapitel entworfene „Stärkung der Medienkompetenz (..)“ sind wir mit Sicherheit ein Partner für dieses Regierungsvorhaben. Auch für die „Erweiterung der digitalen Kompetenzen von Pädagoginnen und Pädagogen (..),Aus-, Fort- und Weiterbildung für alle Lehrerinnen und Lehrer“ ist der 3. Sektor über die bereits bestehende Zusammenarbeit mit den pädagogischen Hochschulen bestens vorbereitet.
Allerdings fanden sich ähnliche Vorhaben bereits in vorhergehenden Regierungsprogrammen, in der Wirklichkeit wurde der österreichische Bildungsbereich eher finanziell ausgeblutet, was solche Vorhaben zu „fromme Wünsche“ verkommen liess. Ohne bessere finanzielle Ausstattung der Schulen wird dies nicht umsetzbar bleiben.
In Summe stehen die Community Medien dem Programm der Bundesregierung positiv gegenüber. Wir erwarten uns eine Stärkung und Profilierung des 3. Sektors, der seit über 20 Jahren anerkannt und unter Einbindung der Bevölkerung arbeitet. Und durch Vielfalt und Bildung für ein modernes, zukunftsfähiges Österreich steht.